Russische Idee und Identität : „Philosophisches Erbe“ und Selbstthematisierung der Russen in der öffentlichen Diskussion 1985-1995
Daß das russische Volk ohne eine einigende, „große“ Idee nicht leben könne, ist eine bis ins 16. Jahrhundert zurückzuverfolgende Überzeugung religiösen Ursprungs. Im August 1996 rief Boris El'cin zu einem öffentlichen Wettbewerb um eine zeitgemäße Neuformulierung der „russischen Idee“ auf. Die vorliegende Arbeit verfolgt zwei Ziele: Zum einen wird anhand von ca. 200 Textbeispielen sowohl der „liberalen“, als auch der national-konservativen bis rechtsextremen russischen Presse aufgezeigt, welch tiefen Eingang der Begriff der „russischen Idee“ seit Beginn der Perestrojka in öffentliche politische wie kulturelle Diskussionen gefunden hat, in welch verschiedenen Kontexten und zum Teil entgegengesetzten Bedeutungen er verwendet wird. Zum anderen wird die häufig geäußerte Idee überprüft, die Diskussion um die „russische Idee“ liefere einen wichtigen Beitrag im aktuellen Prozeß der russischen Selbstthematisierung und Identitätsfindung. Dabei kommt die Autorin zu dem Schluß, daß mit Hilfe einer wie auch immer verstandenen „russischen Idee“ lediglich eine mythisierte, autoritäre und elitäre russische Identität herausgebildet werden kann, die einem weiteren Fortschritt auf dem Wege der innenpolitischen Demokratisierung und außenpolitischen Integration Rußlands in die Weltgemeinschaft keinesfalls zuträglich ist.
That the Russian people cannot live without a unifying, ‘great’ idea is a conviction of religious origin that can be traced back to the 16th century. Boris El'cin organised in August 1996 a public competition for a contemporary reformulation of the ‘Russian idea’. This study pursues two objectives: Firstly, using around 200 text examples from both the ‘liberal’ and the national-conservative to far-right Russian press, it demonstrates the depth to which the concept of the ‘Russian idea’ has entered public political and cultural discussions since the beginning of perestroika, and the different contexts and sometimes opposing meanings in which it is used. Secondly, the frequently expressed idea is scrutinised, that the discussion about the ‘Russian idea’ makes an important contribution to the process of Russian self-thematisation and identity formation in the 90-s.
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