Ivo Andrić: „Wesire und Konsuln“ : Il faut cultiver son jardin
Der epische Romancier Ivo Andrić war davon überzeugt, dass die menschliche Existenz einem Flussbett gleicht, das zwar von Zeit zu Zeit überschwemmt wird, seinen Lauf aber nur über große Zeitspannen hinweg ändert. In seiner "Bosnischen Chronik" (Travnička hronika) ist eine der Überschwemmungen die napoleonische Präsenz in Bosnien. In der Konfrontation mit dem Orient und der französischen Aufklärung lässt Andrić keinen Zweifel daran, dass nach der Schließung des französischen Konsulats 1814 der Orient mit seiner Ambivalenz zwischen patriarchalisch-lethargischer Rohheit und sensualistischer Authentizität wieder die Oberhand über Travnik gewonnen hat. Selbst der aufgeklärte Botschafter des Fossées, der in vielerlei Hinsicht das Sprachrohr seines Autors ist, trägt Züge eines Kolonialherren, der Bosnien nur als Sprungbrett für seine diplomatische Karriere sieht. Die einzige Figur, die für eine bessere Zukunft steht, ist die namenlose Frau des Konsuls Daville: Dank ihres Familiensinns und ihres Arbeitsethos hat sie sich den Respekt aller Glaubensgemeinschaften erworben. Diese Eigenschaft macht sie zur wahren Diplomatin in einer humanistischen Welt.
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